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05.03.2014

Erschließung eines großen Schulgrundstücks

Bei der Beitragsberechnung ging die Gemeinde (Beklagte) davon aus, dass das angrenzende Schulgrundstück nur mit einer Teilfläche an der Aufwandsverteilung zu berücksichtigen sei.

Der Fall:

Bei der Beitragsberechnung ihrer Beethovenstraße ging die Gemeinde (Beklagte) davon aus, dass das an die Straße angrenzende Schulgrundstück nur mit einer Teilfläche an der Aufwandsverteilung zu berücksichtigen sei. Das Grundstück ist 29.250 m² groß und 210 m tief. Es liegt im unbeplanten Innenbereich zwischen der Beethovenstraße im Süden und der Haydnstraße im Norden. Der nördliche Grundstücksteil ist mit Schulgebäuden des Gymnasiums bebaut. Der südliche Teil wird als Sportplatzfläche genutzt. Er grenzt auf einer Länge von etwa 11 m an die Beethovenstraße. Der Verkehr vom und zum Schulgrundstück wird allein von der Haydnstraße her abgewickelt. Zur Beethovenstraße hin ist das Schulgrundstück eingezäunt und mit einer Hecke umfasst. Bei der Verteilung des Erschließungsaufwands hat die Beklagte das Schulgrundstück lediglich mit der 12.340 m² großen Sportplatzfläche berücksichtigt. Diese Teilfläche wurde nach der satzungsmäßigen Verteilungsregelung wegen untergeordneter baulicher Nutzung mit einem Faktor von 0,3 einbezogen (§ 9 Abs. 10 EBS); ferner wurde eine Vergünstigung wegen Mehrfacherschließung nach § 10 EBS angesetzt. Danach wurde der auf das Schulgrundstück entfallende Beitrag aus einer Fläche von lediglich 2.468 m² errechnet (12.340 m² Sportplatzfläche x 0,3 = 3.702 m² x 0,6667 „Eckermäßigung“ = 2.468 m²).

Das Verwaltungsgericht hat die Klagen betroffener Beitragspflichtiger abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die angefochtenen Bescheide seien nicht zu beanstanden. Die Beklagte habe zu Recht das Schulgrundstück nur mit dem als Sportplatz genutzten Teil in die Verteilung einbezogen, weil der Beethovenstraße eine auf diesen Teil begrenzte Erschließungswirkung zukomme. Dieses Grundstück werde beinahe spiegelbildlich genutzt, nämlich im nördlichen Bereich als relativ massiv bebautes Grundstück mit den Unterrichtsgebäuden des Gymnasiums und im südlichen Bereich als Sportplatzgrundstück mit Umkleidekabinen, Duschen und Toiletten. Die Beethovenstraße sei von ihrer Gesamtkonzeption nicht geeignet, dem gesamten Schulgrundstück eine Erschließung zu vermitteln. Vielmehr werde der nördliche Teil mit der Baukörperausweisung und -zuordnung eindeutig lediglich von der Haydnstraße erschlossen. Die Beklagte habe die südliche Sportplatzfläche gemäß § 9 Abs. 10 EBS zu Recht lediglich mit dem Faktor 0,3 in die Verteilung einbezogen. Die beklagte Gemeinde war mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht einverstanden.

 

Die obergerichtliche Entscheidung:

Ausnahmecharakter des Instituts der begrenzten Erschließungswirkung:

„Im Erschließungsbeitrags­recht und damit auch bei der Anwendung des § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist im Interesse der Rechts­klarheit und Rechtssicherheit grundsätzlich vom bürgerlich-rechtlichen Begriff des Grundstücks im Sinn des Grundbuchrechts – sog. formeller Grundstücksbegriff – auszugehen (ständige Rechtsprechung …). Dieser Grundsatz gilt auch für mehrfach erschlossene Grundstücke (…). Liegt ein Grundstück an mehreren Anbaustraßen, so ist es, wenn dem Grundstück die beitragsrechtlich relevante Nutz­barkeit durch jede dieser Straßen vermittelt wird, grundsätzlich durch jede dieser Straßen hinsichtlich seiner gesamten Fläche erschlossen (BVerwG …).“

 

Rechnerische Grundstücksteilung nur, wenn eindeutig eine beschränkte Erschließungs­wirkung von der Straße ausgeht:

„Lediglich im Ausnahmefall kann es Fallgestaltungen geben, bei denen erkennbar eindeutig angenommen werden muss, ein Grundstück sei durch eine bestimmte Anbaustraße ausnahmsweise nur hinsicht­lich einer Teilfläche erschlossen und nimmt deshalb nur mit einer Teilfläche an der Verteilung des umlage­fähigen Aufwands teil. Das kann etwa der Fall sein, wenn in einem Bebauungs­plangebiet ein an zwei Seiten an je eine Anbaustraße grenzendes über­großes Grundstück zwei ihrem Charakter nach völlig unterschiedlichen Bau­gebieten angehört (BVerwG …). Ferner hat das Bundesverwaltungs­gericht eine begrenzte Erschließungswirkung in einem Fall bejaht, in dem in einem beplanten Gebiet ein zwischen zwei parallelen Anbaustraßen durchlaufendes Grund­stück nach den Festsetzungen im Bebauungs­plan an jeder Straße selbstständig und ungefähr gleichgewichtig – sozusagen spiegelbildlich – bebaubar ist, so dass sich aufgrund der Festsetzungen der Eindruck aufdrängt, dass es sich planerisch um zwei voneinander vollauf unabhängige Grund­stücke handelt (…). Diese beiden Konstellationen sind nur beispiel­haft und nicht abschließend (BVerwG …). Entscheidend ist, ob sich aus den Fest­setzungen des Bebauungsplans erkennbar eindeutig ergibt, dass sich die von der Erschließungs­anlage (Anbaustraße) ausgehende Erschließungswirkung auf eine Teilfläche des Grund­stücks beschränkt. Zwar bezieht sich die Rechtsprechung auf Grundstücke in beplanten Gebieten. Doch schließt das Bundesverwaltungsgericht nicht aus, dass bei entsprechenden tatsächlichen Gegebenheiten auch bei einem zwischen zwei Parallelstraßen verlaufenden, übertiefen Grundstück im unbeplanten Innenbereich angenommen werden kann, die von jeder dieser Straßen ausgehende Erschlie­ßungswirkung erstrecke sich erkennbar eindeutig lediglich auf eine Teilfläche dieses Grundstücks (BVerwG …).“

 

Eine allein auf eine der angrenzenden Straßen ausgerichtete verkehrsmäßige Erschließung stellt keinen Grund für eine rechnerische Grundstücksteilung dar:

„Das an zwei Straßen grenzende Schulgrundstück ist zwar mit 210 m übertief. Das alleine kann indes ebenso wenig eine Ausnahme vom formellen Grundstücksbegriff rechtfertigen, wie die tatsächliche Nutzung als Schulgrundstück oder die gegen­wärtige, allein auf die H.-Straße ausgerichtete verkehrsmäßige Erschließung. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts fehlt es an Merkmalen, die erkennbar eindeutig eine beschränkte Erschließungs­wirkung der B.-Straße begründen und damit ausnahmsweise eine rechnerische Teilung des Grundstücks rechtfertigen könnten. Da das im unbeplanten Innenbereich gelegene Grund­stück ein­heitlich zu Schulzwecken genutzt wird, kann es nicht zwei „voneinander vollauf unab­hängigen“, gleichsam spiegelbildlich bebau­baren Grundstücken gleichgesetzt werden. Auch gehört das Grundstück nicht zwei „ihrem Charakter nach völlig unter­schiedlichen Baugebieten“ an, sondern bildet insgesamt eine faktische Gemein­bedarfs­fläche Schule. Sonstige vergleichbare tatsächliche Gegebenheiten, auf­grund derer erkenn­bar eindeutig von einer beschränkten Erschließungswirkung auszu­gehen wäre, sind nicht erkennbar. Die vorhandenen baulichen Anlagen auf dem Schulgrundstück selbst und in der näheren Umgebung bewirken keine derartige Verfestigung der Zuordnung der einen Teilfläche des Grundstücks zur H.-Straße und der anderen Teilfläche zur B.-Straße, dass sich der Eindruck aufdrängt, sie begründeten bei dem formal ungeteilten Grundstück erkennbar eindeutig eine sachliche Teilung.“

 

Eine Ermäßigung für eine als Sportplatz genutzte Fläche im unbeplanten Innenbereich scheidet aus, wenn auf das Buchgrundstück insgesamt abzustellen ist

„Dass die Sportplatzfläche bei der Aufwandsverteilung wegen „untergeordneter baulicher Nutzung“ nur mit dem niedrigen Faktor von 0,3 angesetzt worden ist, beurteilt der VGH als rechtswidrig:

„Auf dem Schulgrundstück sind (…) tatsächlich vier Vollgeschosse vorhanden, so dass sich … ein Nutzungsfaktor von 1,9 ergibt. Entgegen der Berechnungsweise der Beklagten kann für die südliche Grund­stücks­teilfläche mit Blick auf die Nutzung als „Sportplatz“ kein niedrigerer Ansatz erfolgen. Nach § 9 Abs. 10 EBS werden mit 0,3 der Grundstücks­fläche in die Ver­teilung nur solche beitragspflichtigen Grundstücke einbezogen, die ohne bauliche Nutzungs­möglichkeit oder die mit einer untergeord­neten baulichen Nutzungs­möglichkeit gewerblich oder sonstig genutzt werden oder genutzt werden dürfen (z.B. Kleingartenanlagen, Friedhöfe, Freibäder, Sportplätze etc.). Die Anwendung dieses Ermäßigungstatbestandes setzt voraus, dass keine oder nur eine untergeordnete bauliche Nutzungsmöglichkeit besteht. Daran fehlt es, selbst wenn man die südliche Teilfläche isoliert betrachten wollte. Denn auch diese ist, wie oben ausgeführt unein­geschränkt etwa mit Wohn- oder Schulgebäuden baulich nutzbar; auf die tatsäch­liche Nutzung als Sportgelände kommt es erschließungsbeitragsrechtlich nicht an. Im Übrigen ist auf das Buchgrundstück insgesamt abzustellen, das im nördlichen Teil intensiv bebaut ist.“

 

Unsere Hinweise:

 

Die Daten der vorgestellten Entscheidung finden Sie in unseren Tipps für die Praxis. In Ihrem Matloch/Wiens finden Sie die Erläuterungen zum Grundstücksbegriff im Erschließungsbeitragsrecht bei Rdnrn. 800 ff., zur rechnerischen Grundstücksteilung in beplanten Grundstücken bei Rdnr. 806 bzw. bei unbeplanten Grundstücken bei Rdnr. 808a.


Unsere Tipps für die Praxis:

Exklusiv für die Bezieher des Matloch/Wiens Erschliessungsbeitragsrechts. Die Tipps für die Praxis tragen dazu bei, die schwierige Materie in den Alltag zu integrieren.

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