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06.12.2023

Wann liegt Eigentümeridentität zwischen Anlieger- und Hinterliegergrundstück vor? – Teil 1

Prüft man eine Hinterliegerkonstellation, dann ist eine der entscheidenden Weichenstellungen, ob das Anlieger- und das Hinterliegergrundstück im Eigentum derselben Person stehen. Wenn das der Fall ist, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Hinterliegergrundstück erschlossen ist, deutlich größer. Und ob Eigentümeridentität vorliegt, lässt sich leicht im Grundbuch feststellen, nicht wahr? Bei Alleineigentum trifft das zu. Sobald jedoch Personenmehrheiten auftauchen, wird die Fragestellung schlagartig komplexer.

Beispielfall Eigentümeridentität Teil 1 Der Beispielsfall:

Die Gemeinde möchte eine Erschließungsstraße abrechnen. An der Straße unmittelbar liegt das Grundstück Flnr. 1 an, das im Eigentum von A steht. Hinter dem Grundstück von A liegt ein weiteres Grundstück Flnr. 2, das im Miteigentum von A und ihrer Ehefrau B steht.

Ist hier von einer Eigentümeridentität auszugehen?

Grundlagen:

1. Was ist überhaupt Miteigentum?

Miteigentum meint, dass mehreren Personen eine Sache nur nach Bruchteilen zusteht (§ 1008 BGB), d.h. dass nur ein fiktiver Prozentteil des Vermögensguts einer Person zusteht, während ein anderer fiktiver Prozentteil einer anderen Person gehört. Das bedeutet, dass nicht eine Person über die Sache allein verfügen kann, sondern nur über ihren Anteil an der Sache (§ 747 BGB). Da es sich aber nur um einen rechnerischen Anteil an der Sache handelt, kann ein Miteigentümer also nicht einfach einen Teil der Sache wegnehmen und für sich behalten. Vielmehr muss die Miteigentümergemeinschaft aufgehoben (§ 749 BGB) und dann geteilt (§§ 752 ff. BGB) werden. Bei Meinungsverschiedenheiten regelt § 745 BGB, wie die Sache verwaltet oder genutzt werden kann.

Kurzgefasst: Liegt Miteigentum vor, kann keiner der Eigentümer etwas allein machen, wenn es um die gesamte Sache geht.

2. Wann kommt Miteigentum in der Praxis vor?

Vor allem in zwei Fallgruppen:

  • Bei Ehegatten, eingetragenen Lebensparner/-innen i.S.d. LPartG oder Personen in einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft
  • Bei Erbengemeinschaften

3. Was ist der beitragsrechtliche Grundsatz?

Das Problem beim Erschlossensein des Hinterliegergrundstücks ist ja grundsätzlich, dass das Hinterliegergrundstück keine direkte Zuwegung zur Erschließungsanlage hat, sondern das Anliegergrundstück dafür nutzen müsste. Wenn diese Zuwegung nicht gesichert ist, dann hat der Eigentümer des Hinterliegergrundstücks keinen sicheren Erschließungsvorteil

Steht aber das Anliegergrundstück im Eigentum des Hinterliegereigentümers, dann kann es bei der obigen Aussage nicht bleiben. Denn der Eigentümer des Hinterliegergrundstücks hätte es dann selbst in der Hand zu entscheiden, ob er sein Hinterliegergrundstück erschlossen und beitragspflichtig macht, indem er eine Zuwegung sichert oder es eben nicht. Er wäre Herr über seinen Erschließungsvorteil. Das kann natürlich nicht sein. Wenn man sich seinen eigenen Erschließungsvorteil verbauen möchte, dann steht das jedem frei, aber man kann es nicht auf Kosten der übrigen Beitragspflichtigen machen. Deswegen ist Eigentümeridentität häufig ganz entscheidend für die Frage des Erschlossenseins des Hinterliegers.

Bei Miteigentumskonstellationen stellt sich dieselbe Frage: Kann der/die Eigentümer des Hinterliegergrundstücks es einfach frei entscheiden, ob das Hinterliegergrundstück einen Erschließungsvorteil bekommt oder nicht?

4. Was sagt die Rechtsprechung?

Wenn das Hinterliegergrundstück im Eigentum von mehreren Miteigentümern steht, das Anliegergrundstück aber nur im Eigentum eines der Miteingentümers, dann ist sich die Rechtsprechung einig: Es liegt eine Situation vor, die vergleichbar ist, wie die der Eigentümeridentität. Anderenfalls könnte der Miteigentümer einfach sagen, dass er über sein Anliegergrundstück keine Sicherung bestellt und damit entscheiden, dass sein Hinterliegergrundstück(santeil) keinen Beitrag zahlen muss.

Im umgekehrten Fall – ein Eigentümer des Hinterliegergrundstücks, mehrere Eigentümer des Anliegergrundstücks – jedoch geht die Rechtsprechung auseinander. Wendet man aber den o.g. Grundsatz an, dann kann es nur eine Antwort geben: Es liegt keine Eigentümeridentität vor. Denn der Eigentümer des Hinterliegergrundstücks kann nicht einfach allein entscheiden, ob über das Anliegergrundstück eine gesicherte Zuwegung verlaufen kann oder nicht. Da es hier um eine Verfügung über die ganze Sache an sich geht – also da das Anliegergrundstück in seiner Gesamtheit davon betroffen ist – kann er nicht allein entscheiden, sondern braucht die anderen Miteigentümer. Die wiederum haben keinerlei Veranlassung ihren Grundstücksteil durch Bestellung eines Wegerechts im Wert zu schmälern, damit einer der Miteigentümer eine Wertsteigerung für ein anderes Grundstück hat.

Lösung des Beispielsfalls:

Die Frage, die sich hier stellt: Kann eine der Miteigentümerinnen der Fl.Nr. 2 allein darüber entscheiden, ob das Grundstück eine gesicherte Zuwegung erhält oder nicht? Die Antwort ist hier: Ja. A kann einfach auf ihrem Grundstück Fl.Nr. 1 eine Zuwegung bestellen oder eben nicht bestellen und damit ganz allein entscheiden, ob das Grundstück Fl.Nr. 2 an die Erschließungsstraße angebunden wird oder nicht. Der Fall ist somit genauso zu behandeln wie bei Vorliegen einer Eigentümeridentität.

Unsere Hinweise:

Weitere Details finden Sie in unseren Tipps für die Praxis. In Ihrem Matloch/Wiens finden Sie die Erläuterungen zur Eigentümeridentität samt sämtlicher Rechtsprechungsnachweise in der Rdnr. 860.


Unsere Tipps für die Praxis:

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