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26.10.2023

Vorausleistung und Ablösewirkung

Das Beitragsrecht bietet verschiedene Möglichkeiten, die endgültigen Baukosten vorzufinanzieren. Neben einem geteilten Vorgehen (Kostenspaltung, Abschnittsbildung) ist insbesondere eine gestufte Beteiligung der Anlieger mittels Vorausleistungen möglich. Während bei dem geteilten Vorgehen die endgültige Abrechnung einer Teilanlage (Kostenspaltung) bzw. eines Anlagenteiles (Abschnittsbildung) stattfindet, stellt die Vorausleistung eine echte Vorfinanzierung dar – der Anlieger geht hier in Vorleistung. 

Klar ist aber auch, dass solche gestuften Verfahren immer auch Fehlerquellen darstellen. Mit den Komplikationen bei der Vorausleistung befasst sich die folgende Entscheidung: Hier fand nach Festsetzung der Vorausleistung, aber vor Entstehen der endgültigen Beitragspflicht ein Eigentümerwechsel statt.

Die Entscheidung ist jedoch auch im Gesamtzusammenhang der Rechtsprechung zu bewerten, da der BayVGH zu dieser Frage bereits 2010 eine abweichende Rechtsauffassung geäußert hat.

Der Fall:

Die Beteiligten streiten um die Vorausleistungen auf einen Erschließungsbeitrag.

Mit Bescheiden vom Oktober 2019 wurde der Kläger zu Vorausleistungen herangezogen. Hiergegen legte er Widerspruch ein, der mit Bescheid vom November 2021 zurückgewiesen wurde. Für die Erbringung der Vorausleistungen wurde Ratenzahlung gewährt.

Die bautechnische Fertigstellung der Verkehrsanlage erfolgte im Dezember 2020, die Widmung der Anlage im Mai 2022.

Im Dezember 2021 übertrug der Kläger das Eigentum an den beitragspflichtigen Grundstücken und erhob Klage gegen die Vorausleistungsbescheide. Im Mai 2022 erließ die beklagte Gemeinde die endgültigen Beitragsbescheide. Adressat der Beitragsforderung für das betroffene Grundstück war der neue Grundstückseigentümer. Hierin verrechnete sie die Vorausleistungen mit der jeweiligen endgültigen Beitragsschuld. 

Die erstinstanzliche Entscheidung:

Durch Urteil vom Dezember 2022 verpflichtete das angerufene Verwaltungsgericht die Beklagte, eine Teilerstattung festzusetzen und wies die Klage im Übrigen ab.

Zur Begründung führte es aus: Die Vorausleistungsbescheide hätten sich zwar durch den Erlass der endgültigen Beitragsbescheide sowie durch die Zahlungen des Klägers erledigt. Dem Kläger fehle das erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Ein Anspruch des Klägers auf Rückzahlung der Vorausleistungen bestehe nur in geringem Umfang. Die gegenüber dem neuen Grundstückseigentümer erlassenen endgültigen Beitragsbescheide bildeten in Verbindung mit der kraft Gesetzes angeordneten Verrechnung von Vorausleistungen einen Rechtsgrund für das Behaltendürfen des vom Kläger gezahlten Betrages. Die erst nach der postalischen Bekanntgabe der endgültigen Beitragsbescheide vom Kläger am 9. Juni 2022 gezahlte Rate sei dagegen nicht kraft Gesetzes mit dem endgültigen Beitrag des neuen Grundstückseigentümers zu verrechnen. Diese Zahlung sei daher rechtsgrundlos erfolgt und somit zu erstatten.

Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes:

Das Oberverwaltungsgericht wies die Klage in vollem Umfang ab.

Ein Vorausleistungsbescheid erledigt sich nach dem Oberverwaltungsgericht nicht durch die endgültige Beitragsfestsetzung, wenn zwischenzeitlich ein Eigentumswechsel stattgefunden hat:

„Soweit es um die Beitragsfestsetzung geht, löst der endgültige Beitragsbescheid grundsätzlich den Vorausleistungsbescheid ab, weil er nunmehr in der Regel den Rechtsgrund für die Beitragserhebung und damit für das (endgültige) Behaltendürfen der – zunächst vorläufig erbrachten oder bei Nichtzahlung noch ausstehenden – Vorausleistung bis zur Höhe des entstandenen Beitrags darstellt (BayVGH, Beschluss vom 21. Juni 2021 – 6 ZB 20.2742 –, juris Rn. 4; ebenso – zum Straßenausbaubeitragsrecht – OVG RP, Urteil vom 17. April 2018 – 6 A 11905/17.OVG –, juris Rn. 18 f., m.w.N.).“

„Keine Erledigung der Abgabenfestsetzung in einem Vorausleistungsbescheid findet hingegen statt, wenn nach der Vorausleistungserhebung das Eigentum am Grundstück wechselt, die Vorausleistung kraft Gesetzes mit dem Beitrag des neuen Eigentümers verrechnet und diesem gegenüber ein endgültiger Beitragsbescheid erlassen wird. In diesem Fall bleibt der Vorausleistungsbescheid die formelle Grundlage dafür, dass die Gemeinde die vom Voreigentümer gezahlten Vorausleistungen mit Tilgungswirkung für die dem endgültigen Beitragsschuldner gegenüber erhobene Beitragsforderung behalten darf. Insofern kommt es im Hinblick auf die hier interessierende Frage der Erledigung des Vorausleistungsbescheids darauf an, ob der Vorausleistungsbescheid und der endgültige Bescheid an unterschiedliche Adressaten gerichtet sind (VGH BW, Urteil vom 28. Januar 2020 – 2 S 478/18 –, juris Rn. 67 ff., 72 zu der § 133 Abs. 3 Satz 2 BauGB entsprechenden Regelung in § 25 Abs. 3 Satz 2 KAG BW; ebenso zum Straßenausbaubeitragsrecht: OVG SH, Urteil vom 27. Januar 2009 – 2 LB 43/08 –, juris Rn. 43; OVG NRW, Beschluss vom 9. April 1998 – 15 A 7071/95 –, juris Rn. 2 ff.; vgl. auch VG Cottbus, Beschluss vom 18. April 2019 – 6 L 327/16 –, juris Rn. 5).“

Dies begründet das OVG im Wesentlichen damit, dass die Bescheide jeweils an unterschiedliche Adressaten gerichtet waren und somit der endgültige Beitragsbescheid dem ursprünglichen Adressaten gegenüber keine Regelungswirkung entfalten kann.

Unsere Hinweise:

Die Daten der vorgestellten Entscheidung finden Sie in unseren Tipps für die Praxis. In Ihrem Matloch/Wiens finden Sie die Erläuterungen zum Verhältnis von Vorausleistungs- und Endbescheid unter Randnummer 1495.


Unsere Tipps für die Praxis:

Exklusiv für die Bezieher des Matloch/Wiens Erschliessungsbeitragsrechts. Die Tipps für die Praxis tragen dazu bei, die schwierige Materie in den Alltag zu integrieren.

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