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01.08.2023

Straßenausbaubeitrag: Erstattung gegenüber Freistaat Bayern, Pauschalierte Veranschlagung

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von entgangenen Straßenausbaubeiträgen im Zuge deren Abschaffung in Bayern zum 1. Januar 2018. Die Gemeinde (Klägerin) begehrt vom Beklagten (Freistaat Bayern) die Erstattung von entgangenen Straßenausbaubeiträgen für die Erneuerung der Straßendecke im Zuge der Neuverlegung der Wasserleitung entsprechend einer Vereinbarung zwischen dem Wasserzweckverband und der Gemeinde. Der Antrag der Gemeinde wurde von der Regierung abgelehnt, da die Voraussetzungen des Art 19 Abs. 9 Satz 3 KAG nicht erfüllt seien. Im Haushaltsplan 2015 seien keine finanziellen Mittel für die dem Antrag zugrundeliegende Maßnahme ausgewiesen worden. Auch sei nicht erkennbar, dass dafür Verpflichtungsermächtigungen eigegangen worden seien.

Die hiergegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen.

Die gerichtliche Entscheidung

1. Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs

Rechtsgrundlage für einen Erstattungsanspruch ist Art. 19 Abs. 9 Satz 1 KAG oder Art. 19 Abs. 9 Satz 6 KAG. Während Art. 19 Abs. 9 Satz 1 KAG das „positive Interesse“ erstattungsfähig macht, zielt Art. 19 Abs. 9 Satz 6 KAG auf das „negative Interesse“ ab. Nach Satz 1 der Vorschrift erstattet der Freistaat Bayern den Gemeinden auf Antrag diejenigen Beträge, die ihnen unmittelbar dadurch entgehen, dass sie infolge der Änderung des KAG zum 1. Januar 2018 Beiträge für Straßenausbaubeitragsmaßnahmen nicht mehr erheben können. Bei Art. 19 Abs. 9 Satz 1 KAG handelt es sich um eine gebundene Norm, die der jeweiligen Gemeinde einen Rechtsanspruch auf Erstattung einräumt, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen, welche sich auch aus Art. 19 Abs. 9 Sätze 2 und 3 KAG ergeben, erfüllt sind (vgl. BayVGH, B.v. 28.3.2022 – 6 ZB 21.1543 – juris Rn. 6, Matloch/Wiens „Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis“ Rn 2207). Grundvoraussetzung ist jedoch das Entstehen einer sachlichen Beitragspflicht für Straßenausbaubeiträge bis zum 31. Dezember 2017 oder das Verhindern einer solchen Entstehung aufgrund der Gesetzesänderung (BayVGH, B.v. 28.3.2022 – 6 ZB 21.1543 – juris Rn. 7). Aus diesem Grund kommt eine Erstattung etwa dann nicht in Betracht, wenn aufgrund des Vorrangs des Erschließungsbeitragsrechts vorrangig Erschließungsbeiträge zu erheben wären (BayVGH a.a.O.) oder weil schon bis zum 31. Dezember 2017 Festsetzungsverjährung eingetreten war (LT-Drs. 17/21586 S. 11).

Die obigen Maßstäbe stehen vorliegend nicht in Frage, da die . – zwischen den Beteiligten unstreitig – im Jahr 1971 endgültig technisch hergestellt wurde (§ 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB) und auch eine Verjährung aufgrund der erst am 10. August 2015 ausgestellten Schlussrechnung keinesfalls bis 31. Dezember 2017 eintreten konnte. Insofern sind der Klägerin – unter Zugrundelegung der Kostenteilung mit dem Zweckverband und ihres Eigenanteils von 35 % nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 ihrer Straßenausbeitragssatzung – Straßenausbaubeiträge in Höhe von 12.940,38 EUR entgangen.

2. Veranschlagung der voraussichtlichen Ausgaben im Vermögenshaushalt

Der Anspruch nach Art. 19 Abs. 9 Satz 1 KAG ist allerdings noch von weiteren, kumulativen Voraussetzungen abhängig, die in Art. 19 Abs. 9 Satz 3 KAG aufgezählt sind. Nach Art. 19 Abs. 9 Satz 3 Nr. 2 KAG ist für eine Erstattung nötig, dass die Gemeinde für die demnach beitragsfähige Maßnahme in einem der Rechtsaufsichtsbehörde nach Art. 65 Abs. 2 GO spätestens am 11. April 2018 vorgelegten Haushaltsplan Ausgaben im Vermögenshaushalt, Auszahlungen aus Investitionstätigkeit oder Verpflichtungsermächtigungen veranschlagt hatte.

Die Voraussetzungen des Art. 19 Abs. 9 Satz 3 Nr. 2 KAG sind nicht erfüllt. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob die von der Vorschrift geforderte Veranschlagung haushaltsrechtskonform erfolgt sein muss oder ob auch eine haushaltsrechtswidrige Veranschlagung ausreichen könnte. Für Letzteres könnte die Gesetzesbegründung sprechen, denn der Gesetzgeber beabsichtigte jedenfalls die Wirksamkeit des Haushaltsplans nicht zur Voraussetzung für eine Erstattung zu machen (LT-Drs. 17/21586 S. 12). Nach dem eindeutigen Wortlaut von Art. 19 Abs. 9 Satz 3 Nr. 2 KAG müssen jedoch „für die beitragsfähige Maßnahme“ Ausgabeansätze in bestimmter Form „veranschlagt“ worden sein. Ein objektiv ermittelbarer und finaler Bezug zwischen der konkreten Straßenausbaubeitragsmaßnahme und dem Haushaltsansatz („für“) muss mithin erkennbar sein.

3. Grundsatz der Einzelveranschlagung im Vermögenshaushalt

Ein mit dem Grundsatz der Einzelveranschlagung im Vermögenshaushalt (Art. 120 Abs. 1 Nr. 1 GO i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 4 KommHV-Kameralistik) konformer Ausgabeansatz ist in keinem der vorgelegten Unterlagen ersichtlich, da eine Straßenbaumaßnahme „...“ nirgendwo erkennbar ist. Dies hat die Klägerseite im Kern bereits aktenkundig gegenüber der Regierung am 13. Februar 2020 eingeräumt. Auch die Stellungnahme der Kämmerei vom 20. Februar 2020 zeigt, worauf der Beklagte zu Recht hingewiesen hat, dass keine Veranschlagung im Haushaltsplan 2015 erfolgte, da dort ausgeführt wird, dass es „wie im vorliegenden Fall, nicht selten vorkomme, dass Baumaßnahmen, die ursprünglich nicht für den Haushalt angemeldet waren, aufgrund Dringlichkeit dennoch mit erledigt werden müssen.“ Soweit die Klägerseite das Dokument „ergänzende Erläuterungen zum Haushaltsplan 2018“ vorgelegt hat, sind dort auf der hier nicht maßgeblichen Einnahmenseite des Vermögenshaushalts (Haushaltsstelle 6300.3525) mit einem Ansatz von 0 EUR „entgangene Einnahmen“ ausgewiesen (Ziffer 2.1 VVKommHSyst-Kameralistik i.V.m. Anlage 1 und 2 hierzu). Dies stellt keinen hier relevanten Ausgabeansatz dar.

4. Möglichkeit eines kumulierten oder pauschalierten Ansatzes

Auch soweit man anstatt einem dem Grundsatz der Einzelveranschlagung entsprechenden Einzelansatz eventuell einen kumulierten oder pauschalierten Haushaltsansatz für eine „Veranschlagung“ ausreichen lassen will (bejahend Matloch/Wiens „Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis“ Rn 2205), fehlt es vorliegend jedenfalls an dem nach Art. 19 Abs. 9 Satz 3 Nr. 2 KAG geforderten Zweckbezug zwischen Ausgabeansatz und Maßnahme. Richtig ist, worauf sich auch die Klägerin bezieht, dass im Haushaltsplan 2015 unter der Haushaltsstelle 6300.9500 ein Ausgabeansatz im Vermögenshaushalt für „Tiefbaumaßnahmen“ in Höhe von 203.000 EUR veranschlagt war. Unstreitig ist auch, dass die Klägerin den Haushaltsansatz im Haushaltsvollzug (aufgrund dort vorhandener Mittel) dafür nutzte, um am 29. September 2015 die Schlussrechnung über die Straßenausbaubeitragsmaßnahme zu begleichen. Dies alleine rechtfertigt jedoch nicht die Annahme, dass im Sinne von Art. 19 Abs. 9 Satz 3 Nr. 2 KAG der Ausgabeansatz auch „für“ die beitragsfähige Maßnahme – also mit Zweckbezug – veranschlagt wurde. Zu Recht weist der Beklagte darauf hin, dass sich der veranschlagte Haushaltsansatz „Tiefbaumaßnahmen“ gemäß dem Vorbericht zum Haushaltsplan 2015 (§ 3 Satz 2 Nr. 3 KommHV-Kameralistik) inhaltlich und betragsmäßig aus 5 Einzelmaßnahmen zusammensetzt, von denen keine die Sanierung der ... betrifft. Ein Ansatz für die Sanierung der ... ist aus dem kumulierten Ansatz „Tiefbaumaßnahmen“ damit weder dem Grund noch der Höhe nach ableitbar. Auch dies räumt die Klägerin in der Stellungnahme ihrer Kämmerei vom 20. Februar 2020 letztlich ein.

5. Rechtfertigung als außerplanmäßigen Ausgabe

Schließlich kommt es vorliegend auch nicht darauf an, ob die Klägerin berechtigt war, die Sanierungsmaßnahme an der ... „aufgrund Dringlichkeit“ über den Haushaltsansatz „Tiefbaumaßnahmen“ im Haushaltsplan 2015 abzuwickeln. Das Gericht muss nicht klären, ob die Auftragsvergabe oder das Bezahlen der entsprechenden Schlussrechnung eventuell den Erlass einer Nachtragshaushaltssatzung nach Art. 68 Abs. 2 Nr. 2 GO erfordert hätte, da der Erlass jedenfalls nicht erfolgt ist und schon deswegen nicht von einer „Veranschlagung“ im Sinne von Art. 19 Abs. 9 Satz 3 Nr. 2 KAG gesprochen werden kann. Ebenfalls irrelevant ist die Frage, ob – ohne Erlass einer Nachtragshaushaltssatzung – jedenfalls die Sanierung aufgrund „Unabweisbarkeit“ nach Art. 66 Abs. 1 GO als außerplanmäßige Ausgabe zu Recht getätigt wurde. Die Tätigung einer außerplanmäßigen Ausgabe ist – ob nun zu Recht oder nicht – nicht mehr unter das Tatbestandsmerkmal „veranschlagt“ aus Art. 19 Abs. 9 Satz 3 Nr. 2 KAG zu subsumieren, da eine außerplanmäßige Ausgabe gerade dann vorliegt, wenn kein Haushaltsansatz veranschlagt wurde (§ 87 Nr. 4 KommHV-Kameralistik). Bei anderer Betrachtung hätte der (anspruchseinschränkende) Tatbestand von Art. 19 Abs. 9 Satz 3 Nr. 2 KAG für das Gericht keinen erkennbaren Anwendungsbereich mehr.

Einzig über eine Analogie wäre eventuell denkbar, Art. 19 Abs. 9 Satz 3 Nr. 2 KAG auch auf außerplanmäßige Ausgaben zu erweitern. Die Voraussetzungen einer Analogie liegen jedoch nicht vor, da der Gesetzgeber die Erstattungsansprüche der Gemeinden wegen Wegfall der Straßenausbaubeiträge abschließend regeln und nur in den gesetzlich geregelten Fällen Kompensationen leisten wollte (LT-Drs. 17/21586 S. 10). Mangels planwidriger Regelungslücke kann Art. 19 Abs. 9 KAG nicht analog angewendet werden.

Unsere Hinweise:

Die Daten der vorgestellten Entscheidung finden Sie in unseren Tipps für die Praxis. In Ihrem Matloch/Wiens finden Sie Erläuterungen sowie einschlägige Rechtsprechung unter Rdnr. 2205.


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