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06.09.2016

Vorteilslage; Begriff der „endgültigen technischen Fertigstellung“; endgültige Herstellung des Gehwegs;

Wann ist ein Gehweg endgültig hergestellt? Dieser Frage wird hier nachgegangen.

Der Fall:

Die Gemeinde zog die Klägerin mit Erschließungsbeitragsbescheiden vom 20.11.2013 zum Erschließungsbeitrag für die erstmalige Herstellung der R(…)straße heran. Zur Begründung ihrer Klage gegen diese Erschließungsbeitragsbescheide wandte die Klägerin vor allem ein, bei Erlass der Erschließungsbeitragsbescheide sei bereits die 30-jährige Ausschlussfrist nach Entstehen der Vorteilslage abgelaufen gewesen. Die abgerechnete R(…)straße habe schon im Jahr 1978 die satzungsmäßigen Merkmale der endgültigen Herstellung aufgewiesen und eine insgesamt betriebsfertige Erschließungsanlage dargestellt. Der Gehweg sei entsprechend der satzungsmäßigen Merkmalsregelung durchgängig mit einem Asphaltbelag versehen und gegenüber der Fahrbahn durch eine zweckdienliche Einrichtung, nämlich eine ununterbrochene weiße Linie optisch abgegrenzt gewesen. Hingegen war das Verwaltungsgericht erstinstanzlich davon ausgegangen, dass der Gehweg mangels Abgrenzung zur Fahrbahn durch Randsteine, Pflasterzeilen oder ähnliche zweckdienliche Einrichtungen bis zu seiner Herstellung im Jahr 2005 noch nicht endgültig hergestellt gewesen war. Da es für den Eintritt der Vorteilslage im Erschließungsbeitragsrecht nicht ausreiche, dass die Straße gebrauchsfertig sei und benutzt werden könne, sondern es auf die endgültige technische Herstellung nach dem Bauprogramm und den Satzungsbestimmungen ankomme, sei die Beitragsforderung nicht verjährt.

 

Die obergerichtliche Entscheidung:

Das Obergericht bestätigte das Verwaltungsgericht (zumindest im Ergebnis) und lehnte einen Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung ab. In seiner Begründung führte es zur Thematik der Vorteilslage, hier insbesondere zum Verständnis des in diesem Zusammenhang von ihm geprägten Begriffs der „endgültigen technischen Fertigstellung“, sowie zur Frage der endgültigen Herstellung des Gehwegs u.a. Folgendes aus:

„Nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1 Halbs. 1 KAG in der Fassung vom 11. März 2014 (GVBl 70) ist die Festsetzung eines Beitrags ohne Rücksicht auf die Entstehung der Beitragsschuld spätestens 20 Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem die Vorteilslage eintrat, nicht mehr zulässig. Nach der Übergangsvorschrift des Art. 19 Abs. 2 KAG gilt für Beiträge, die – wie hier – vor dem 1. April 2014 durch nicht bestandskräftigen Bescheid festgesetzt sind, Art 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1 KAG mit der Maßgabe, dass die Frist einheitlich 30 Jahre beträgt. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht ausgeführt, dass die Vorteilslage im Erschließungsbeitragsrecht erst mit der endgültigen technischen Fertigstellung der Erschließungsanlage nach dem zu Grunde liegenden Bauprogramm und den Satzungsbestimmungen im Jahr 2005 zu laufen begann und es nicht ausreichte, dass die Straße zuvor schon „gebrauchsfertig“ und „benutzbar“ war. Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 14. November 2013 (6 B 12.704 – juris Rn. 22) entschieden hat, ist die Festsetzung von Erschließungsbeiträgen – ohne Rücksicht auf das Entstehen der Beitragsschuld und unbeschadet der Verjährungsregelungen – ausgeschlossen, wenn seit dem Entstehen der Vorteilslage durch die endgültige technische Fertigstellung der Erschließungsanlage mehr als 30 Jahre vergangen sind.

Die Erschließungsanlage R(…)straße im Abrechnungsabschnitt zwischen (…) war vor dem Jahr 2005 noch nicht endgültig technisch fertiggestellt. Die in § 9 EBS geregelten Merkmale der endgültigen Herstellung im Gehwegbereich auf Höhe des mit einem Autohaus bebauten Grundstücks FlNr. 232 waren nämlich vor 2005 noch nicht erfüllt. Nach § 9 Nr. 1 Satz 3 EBS sind Fahrbahnen und Parkflächen gegenüber den Gehwegen durch Randsteine, Pflasterzeilen oder ähnliche zweckdienliche Einrichtungen abzugrenzen. Gehwege müssen mit Plattenbelag, Asphaltbeton, Pflaster oder ähnlichen Materialien und einem Unterbau versehen sein (§ 9 Nr. 2 Satz 1 EBS). Diese Regelungen genügen den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen ebenso wie dem gesetzgeberischen Ziel des § 132 Nr. 4 BauGB, den betroffenen Grundstückseigentümern die endgültige Herstellung der ihre Grundstücke er-schließenden Anlage möglichst eindeutig erkennbar zu machen (...). Aus den Fotos der Behördenakte der Beklagten (Bl. …) ergibt sich, dass der Gehweg auf der Westseite der R(…)straße zwischen (…) östlich des Grundstücks FlNr. 232 vor den 2005 durchgeführten Baumaßnahmen noch nicht entsprechend der Merkmalsregelung endgültig technisch fertiggestellt war, sondern erkennbar wie ein Provisorium wirkte. Dieser Bereich war auf einer Länge von etwa 50 m nicht – wie die sonstigen Gehwege im Abrechnungsabschnitt – als Gehweg mit Hochbord und Betonplatten angelegt. Auch fehlte eine Abgrenzung von der Fahrbahn durch Randsteine, Pflasterzeilen oder ähnliche zweckdienliche Einrichtungen. Vielmehr handelte es sich um eine mit der Fahrbahn höhengleiche asphaltierte Fläche, die lediglich durch gestrichelte weiße Markierungen eine gewisse optische Abgrenzung zur Fahrbahn hin aufwies. Die Farbmarkierung stellt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht eine „ähnliche zweckdienliche Einrichtung“ im Sinn des § 9 Nr. 1 Satz 3 EBS dar, weil dies eine einem Randstein und/oder einer Pflasterzeile gleichartige bautechnische Abgrenzung voraussetzen würde. Die endgültige technische Fertigstellung dieses Gehwegbereichs und damit der Erschließungsanlage R(…)straße zwischen (...) erfolgte erst am 13. Dezember 2005 (…). Die gesetzliche Ausschlussfrist von 30 Jahren, die erst mit Ablauf des Jahres 2005 zu laufen begann, war demnach bei Erlass der Erschließungsbeitragsbescheide vom 20. November 2013 bei weitem noch nicht abgelaufen.“

 

Unsere Hinweise:

Die Daten der vorgestellten Entscheidung und deren Bewertung finden Sie in unseren Tipps für die Praxis. In Ihrem Matloch/Wiens wird das Thema Vorteilslage in Rdnr. 440 behandelt. Ausführungen zu den Merkmalen der endgültigen Herstellung finden Sie in Rdnr. 410 ff.


Unsere Tipps für die Praxis:

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