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21.10.2016

Straßenunterbau und endgültige Herstellung; Verlängerungsstrecke und Anlage

Gemäß § 133 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BauGB entsteht die Beitragspflicht mit der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage. Die Merkmale der endgültigen Herstellung regeln die Gemeinden durch Satzung (§ 132 Nr. 4 BauGB).

 

Die Grundsätze:

Gemäß § 133 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BauGB entsteht die Beitragspflicht mit der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage. Die Merkmale der endgültigen Herstellung regeln die Gemeinden durch Satzung (§ 132 Nr. 4 BauGB).

Bei der Abgrenzung der Anlage ist im Ausgangspunkt die sog. natürliche Betrachtungsweise maßgebend. Eine hiervon abweichende Beurteilung kann allerdings aus Rechtsgründen erforderlich sein.

 

Der Fall:

Das Verwaltungsgericht ging erstinstanzlich davon aus, die im Jahr 2008 ausgebaute Bergstraße zerfalle aus Rechtsgründen in zwei Anlagen: Eine westliche Teilstrecke sei nach Straßenausbaubeitragsrecht abzurechen, weil sie bereits 1962/63 endgültig hergestellt gewesen sei. Dabei komme es nicht darauf an, ob ein ordnungsgemäßer Straßenunterbau vorhanden gewesen sei, da die damalige Erschließungsbeitragssatzung für die endgültige Herstellung keinen Unterbau verlangt habe. Die östliche Teilstrecke sei zuvor nur lose geschottert gewesen und deshalb nach Erschließungsbeitragsrecht abzurechen.

 

Die obergerichtliche Entscheidung:: 

Dem Straßenunterbau kommt als Merkmal der endgültigen Herstellung keine Bedeutung zu. Dies gilt selbst dann, wenn der Unterbau in der Satzung als Herstellungsmerkmal erwähnt ist:

„Nicht zu beanstanden ist die (Grund-)Annahme des Verwaltungsgerichts, die Berg-straße zwischen der Einmündung ‚Am Angerbach‘ und der östlichen Grenze des Grundstücks Fl.Nr. 414/3 sei – im Gegensatz zu dem sich östlich anschließenden Straßenstück und der Stichstraße ‚Höllberg‘ – bereits 1962/63 als beitragsfähige Erschließungsanlage (§ 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB) erstmalig endgültig hergestellt (§ 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB) worden. Dem steht entgegen der Ansicht der Beklagten nicht entgegen, dass ‚zweifelsfrei der notwendige Unterbau‘ entsprechend den ‚anerkannten Regeln der Technik und des Straßenbaus‘ gefehlt habe.

Die insoweit allein strittige Frage, ob die flächenmäßigen Teileinrichtungen damals die technischen Herstellungsmerkmale erfüllt oder noch keinen endgültigen Ausbauzustand erreicht haben, beurteilt sich nach der seinerzeit maßgeblichen Satzungslage der Beklagten. Denn die Merkmale der endgültigen Herstellung einer Erschließungsanlage sind von der Gemeinde durch Satzung zu regeln (§ 132 Nr. 4 BauGB). Anders als die Flächeneinteilung einer Straße als solche, die von der Gemeinde gegebenenfalls formlos festgelegt werden darf, gehört die bautechnische Ausgestaltung der für die Erschließungsanlage vorgesehenen Teileinrichtungen zu dem zwingend in die Satzung aufzunehmenden Ausbauprogramm, soweit davon die endgültige Herstellung der Anlage abhängen soll (…).

In § 7 Abs. 1 Nr. 1 der Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten vom 14. Juni 1961 war hinsichtlich der bautechnischen Ausgestaltung bestimmt, dass Anbaustraßen endgültig hergestellt sind, wenn sie ‚eine Pflasterung, eine Asphalt-, Teer-, Beton- oder ähnliche Decke neuzeitlicher Bauweise‘ aufweisen. Weitere Anforderungen namentlich zum Straßenaufbau stellt die Satzung nicht, was rechtlich nicht zu beanstanden ist. Denn einer Erwähnung der Tragschichten unterhalb der Oberflächenbefestigung (Unterbau) bedarf es in der Satzung nicht (…).

Wird der Unterbau gleichwohl in der Satzung genannt, wie in § 13 Abs. 1 Nr. 1 der Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten vom 16. November 1978 (‚technisch notwendiger, tragfähiger und frostsicherer Unterbau‘), kommt dem keine eigenständige Bedeutung zu (…). Herstellungsmerkmale sollen es nach dem Gesetzeszweck den Beitragspflichtigen ermöglichen, durch einen Vergleich des satzungsmäßig festgelegten Bauprogramms mit dem tatsächlichen Zustand, in dem sich die gebaute Anlage befindet, ein Bild dar-über zu verschaffen, ob die Anlage endgültig hergestellt ist oder nicht. Mit dieser auf Laien abstellenden Zielrichtung wäre es von vornherein nicht zu vereinbaren, das Merkmal ‚technisch notwendiger Unterbau‘ in dem Sinn zu verstehen, dass es um die Beachtung technischer Regelwerke ginge. Entscheidend kann allenfalls sein, dass irgendein künstlich hergestellter Unterbau unterhalb der Oberflächenbefestigung vorhanden ist (…). Eine Merkmalsregelung, die hinsichtlich der Oberflächenbefestigung oder gar des Unterbaus auf in technischen Regelwerken vorgegebene Ausbaustandards Bezug nimmt, würde demgegenüber erheblichen Bedenken begegnen; eine solche Einschränkung wäre für die beitragspflichtigen Anlieger intransparent und würde zu einer unangemessenen Risikoverlagerung zu ihren Lasten führen (…).“


Die endgültige Herstellung ist erst dann zu verneinen, wenn Mängel des Unterbaus die Gebrauchstauglichkeit der Anlage ausschließen:

„Eine etwa mängelbehaftete Ausführung der technischen Baumaßnahme berührt nur Gewährleistungsansprüche der Gemeinde gegenüber dem Bauunternehmer und damit unter Umständen die Höhe des beitragsfähigen Erschließungsaufwands, nicht aber die Frage, ob die satzungsmäßigen Herstellungsmerkmale erfüllt sind. Die endgültige Herstellung wäre nur dann zu verneinen, wenn die Mängel die Gebrauchstauglichkeit der Erschließungsanlage ausschlössen (…).“


Dem steht nicht entgegen, dass für eine vorhandene Straße i.S.d. § 242 Abs. 1 BauGB (Bayern: Art. 5a Abs. 7 Satz 1 KAG) ab 1936 ein frostsicherer Unterbau erforderlich war:

„Keine Anwendung findet schon im Ansatz die Rechtsprechung zur Frage, welche Merkmale eine Straße vor Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes am 30. Juni 1961 aufweisen musste, um als vorhandene Straße im Sinn des § 242 Abs. 1 BauGB (nunmehr Art. 5a Abs. 7 Satz 1 KAG) beurteilt zu werden. Diese Frage beantwortet sich nach den vor diesem Zeitpunkt geltenden landesrechtlichen und örtlichen straßenbaurechtlichen Vorschriften sowie städtebaulichen Regelungen, nach etwaigen Richtlinien für den Abschluss von Straßenkostensicherungsverträgen, nach einer erkennbar gewordenen Straßenplanung der Gemeinde und, falls es an dahingehenden Unterlagen fehlt, nach den örtlichen Verkehrsbedürfnissen (…); danach war jedenfalls seit 1936 in aller Regel auch in ländlichen Gemeinden ein kunstgerechter, frostsicherer Unterbau erforderlich. Unter Geltung des zunächst bundes-, später landesrechtlichen Erschließungsbeitragsrechts sind die Anforderungen an die bautechnische Ausgestaltung indes anders, nämlich in dem oben dargelegten Sinn in der Merkmalsregelung der Erschließungsbeitragssatzung normiert.“


Im entschiedenen Fall war daher die westliche Teilstrecke bereits endgültig hergestellt:

„Gemessen an diesem Maßstab begegnet es keinen Bedenken, dass das Verwaltungsgericht die technischen Herstellungsmerkmale als erfüllt angesehen hat. Der Straßenaufbau mag den damaligen üblichen technischen Regeln nicht entsprochen haben. Jedenfalls war unterhalb der – der Merkmalsregelung entsprechenden – Oberflächenbefestigung, wie der vom Verwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung angehörte Bauingenieur erläutert hat, eine Setzpacklage und damit ein künstlich hergestellter Unterbau vorhanden. Es besteht auch kein Anhaltspunkt dafür, dass die Gebrauchstauglichkeit der Straße ausgeschlossen gewesen sein könnte; diese hat im Gegenteil, wie das Verwaltungsgericht hervorgehoben hat, mehr als 40 Jahre standgehalten.“


In der Folge waren die Ausbaumaßnahmen im Jahr 2008 hinsichtlich der westlichen Teilstrecke nach Straßenausbaubeitragsrecht abzurechnen. Hingegen war die östliche Teilstrecke, die durch die Baumaßnahmen im Jahr 2008 erstmalig endgültig hergestellt wurde, als Verlängerungstrecke aus Rechtsgründen eine selbstständige Erschließungsanlage, die nach Erschließungsbeitragsrecht abzurechnen war:

„Waren die tatsächlichen und die rechtlichen Voraussetzungen für die endgültige Herstellung und – was die Beklagte ebenfalls nicht bezweifelt – das Entstehen der sachlichen Erschließungsbeitragspflichten bereits in den 1960er Jahren unter Geltung der Erschließungsbeitragssatzung vom 14. Juni 1961 erfüllt, ist die Erschließungsanlage Bergstraße aus dem Anwendungsbereich des Erschließungsbeitragsrechts (Art. 5a KAG i.V.m. §§ 127 ff. BauGB) entlassen. Das gilt auch dann, wenn damals – objektiv rechtswidrig – keine Erschließungsbeiträge erhoben worden sein sollten. Für spätere Baumaßnahmen, wie den in Rede stehenden Ausbau im Jahr 2008, ist der Anwendungsbereich des Straßenausbaubeitragsrechts (Art. 5 KAG) eröffnet.
Aus dem Blickwinkel des somit maßgeblichen Straßenausbaubeitragsrechts hat das Verwaltungsgericht zu Recht die Bergstraße von der Einmündung ‚Am Angerbach‘ (als natürlichen Beginn) bis zur östlichen Grenze des Grundstücks FlNr. 414/3 als die für die Aufwandsermittlung und -verteilung maßgebliche Einrichtung angesehen. Entgegen der Ansicht der Beklagten können trotz ihrer geringen Länge und Überschaubarkeit weder die Stichstraße ‚Höllberg‘ noch die sich nach Osten bis zum Außenbereich anschließende Strecke einbezogen werden. Dem stehen zwingende rechtliche Hindernisse entgegen. Denn beide Straßenteile wurden erst durch die Baumaßnahme im Jahr 2008 in technischer Hinsicht erstmalig endgültig hergestellt und unterfallen mithin (noch) dem Erschließungsbeitragsrecht. Wird nämlich – wie hier – eine endgültig hergestellte Anbaustraße, für die die sachlichen Erschließungsbeitragspflichten bereits entstanden sind, nachträglich verlängert oder fortgeführt, stellt das nachträglich angelegte Teilstück eine selbstständige Erschließungsanlage dar, auch wenn zu diesem späteren Zeitpunkt eine (grundsätzlich gebotene) natürliche Betrachtungsweise einen einheitlichen Straßenverlauf des vorhandenen wie des neu hergestellten Straßenteilstücks ergibt, weil die Beurteilungszeitpunkte insoweit voneinander abweichen (…).“

 

Unsere Hinweise:

Die Daten der vorgestellten Entscheidung finden Sie in unseren Tipps für die Praxis. In Ihrem Matloch/Wiens finden Sie Erläuterungen zu diesen Themen in Rn. 410 (Straßenunterbau) und Rn. 18 (Verlängerungsstrecke).


Unsere Tipps für die Praxis:

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