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06.09.2016

Rechtmäßigkeit der Herstellung bei Erhebung einer Vorausleistung

Die Vorausleistungserhebung als Vorfinanzierungsinstrument

Die Grundsätze:

Soweit ein Erschließungsbeitrag noch nicht entstanden ist, können Vorausleistungen bis zur Höhe des voraussichtlichen endgültigen Erschließungsbeitrages verlangt werden, wenn mit der Herstellung der Erschließungsanlage begonnen worden und die endgültige Herstellung der Erschließungsanlage innerhalb von vier Jahren zu erwarten ist (§ 133 Abs. 3 S. 1 BauGB). Die rechtlichen Voraussetzungen, wonach die Herstellung von Erschließungsanlagen im Sinne des § 127 Abs. 2 BauGB eine gemäß § 125 hergestellte Anlage voraussetzt, müssen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs bei einer Vorausleistungserhebung (noch) nicht erfüllt sein, weil die Vorausleistungserhebung als Vorfinanzierungsinstrument in der Sache auf erst noch entstehende Kosten abstellt; sie setzt noch keinen voll entstandenen beitragsrechtlichen Sondervorteil voraus. Eine andere Beurteilung kommt aber in Betracht, wenn die Rechtswidrigkeit des Beginns der Herstellung auch die Rechtswidrigkeit des Endes der Herstellung erwarten lässt.

 

Der Fall:

Der vorgestellten obergerichtlichen Entscheidung liegt als Sachverhalt die Heranziehung der (späteren) Klägerin zu einer Vorausleistung auf den Erschließungsbeitrag für die …-Straße zugrunde. Der gegen den verfahrensgegenständigen Beitragsbescheid erhobene Widerspruch wurde damit begründet, dass § 125 BauGB der Beitragsveranlagung auf Dauer - entgegenstehe. Die – noch nicht endgültig hergestellte - Straße sei als durchgängige Anbaustraße ausgewiesen; soweit die Straße bereits vorhanden sei, fehle es aber am durchgängigen Ausbau. Vielmehr sei die Straße in eine nicht befahrbare Teilstrecke sowie in zwei separate Stichstraßen aufgeteilt worden. Damit stehe fest, dass die Straße derzeit nicht so ausgebaut und benutzbar sei, wie es bauplanungsrechtlich vorgesehen ist. Der jetzige Ausbau verstoße deshalb gegen § 125 BauGB. Dies habe zur Konsequenz, dass die sachliche Beitragspflicht nicht entstehen könne und demnach auch keine Vorauszahlungen für den jetzt erfolgten Ausbau verlangt werden könnten. Erschließungsbeitragsrechtlich werde bei der Straße von zwei Stichstraßen ausgegangen, für die jeweils gesondert der Erschließungsaufwand ermittelt und in der Folge auf die angrenzenden Grundstücke verteilt worden sei. Weiche die Herstellung einer beitragsfähigen Erschließungsanlage in relevanter Weise von dem an der Rechtssatzqualität teilnehmenden Inhalt eines Bebauungsplans ab, fehle es an der erschließungsbeitragsrechtlich rechtmäßigen Herstellung als einer der anlagebezogenen Voraussetzungen für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht. Dies müsse auch in dem Fall gelten, in dem ein aliud zur im Bebauungsplan festgesetzten Erschließungsanlage hergestellt worden sei. Weil das Erschließungsbeitragsrecht eine von § 125 BauGB begründete Abhängigkeit aufweise, könne auch die Erhebung von Vorausleistungen nicht völlig losgelöst von den Erfordernissen des § 125 BauGB erfolgen. Seien dessen Voraussetzungen nicht erfüllt, sei der Vorausleistungsbescheid mangels hinreichender Absehbarkeit der endgültigen Herstellung fehlerhaft und damit rechtswidrig. Nunmehr seien seit Erhebung der Vorausleistung bereits mehr als 4 Jahre vergangen. Die Gemeinde beabsichtige, es beim aktuellen Ausbau zu belassen, ohne den Bebauungsplan entsprechend (rechtsverbindlich) zu ändern und dem tatsächlichen Ausbauzustand anzupassen.

 

Die Argumente der Widerspruchsbehörde:

Die Widerspruchsbehörde teilte die Argumentation nicht. Der Bebauungsplan für den gesamten Bereich setze erstmals Verkehrsflächen und überbaubare Flächen fest. Das Leitbild, der planerische Grundgedanke bleibe durch die Herstellung der Straße mit zwei Stichstraßen trotzdem erhalten. Nicht die einzelnen Straßenzüge und auch nicht die Durchgängigkeit der Straße, sondern die Erschließung und die Bebaubarkeit des gesamten Gebietes seien Ziele des Bebauungsplans gewesen. Die Vereinbarkeit der planabweichenden Herstellung einer Erschließungsanlage mit dem Planungskonzept sei zu bejahen, soweit hinsichtlich Lage, Größe und Funktion der erstellten Anlage kein Aliud gegenüber den Festsetzungen des Bebauungsplans vorliege. Ein solches Aliud liege hier nicht vor.

 

Die obergerichtliche Entscheidung:

Die Klage blieb in erster Instanz erfolglos. Die wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung hatte hingegen Erfolg; der verfahrensgegenständliche Beitragsbescheid wurde aufgehoben.

Grundsatz:

Die Prognose der Gemeinde zur Absehbarkeit der endgültigen Herstellung muss auf die Herstellung einer genau bestimmten, grundsätzlich beitragsfähigen Erschließungsanlage gerichtet sein; maßgeblich ist die sog. natürliche Betrachtungsweise:

 „Die Absehbarkeit der endgültigen Herstellung ist eine objektive Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Erhebung einer Vorausleistung (…). Sie bezieht sich auf den Abschluss der Durchführung der nach Maßgabe der satzungsrechtlichen Merkmalsregelung und des einschlägigen Bauprogramms für die endgültige Herstellung der gesamten Anlage erforderlichen Maßnahmen, mithin die technische Herstellung und nicht das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht (…). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Erwartung der endgültigen Herstellung ist … § 133 Abs. 3 Satz 1 BauGB der Erlass des Widerspruchsbescheids (…). Ausgehend davon war zum hier maßgeblichen Zeitpunkt … die objektive Rechtmäßigkeitsvoraussetzung …, nämlich dass eine endgültige Herstellung der Erschließungsanlage innerhalb von vier Jahren zu erwarten ist, nicht erfüllt. Zwar war die Prognose der Beklagten, dass die technischen Bauarbeiten an dem der Vorausleistung zugrunde gelegten Teilstück der Merkurstraße innerhalb von vier Jahren abgeschlossen sein würden, zutreffend. … Die Prognose muss auf die endgültige Herstellung einer genau bestimmten, grundsätzlich beitragsfähigen Erschließungsanlage gerichtet sein. Die Nachweise müssen sich daher auf die Erfüllung der satzungsmäßigen Herstellungsmerkmale einer in einem Bauprogramm konkret hinsichtlich ihrer räumlichen Ausdehnung geplanten Anlage beziehen. Die im Bauprogramm konzipierte Anlage - hier eine Anbaustraße - muss grundsätzlich beitragsfähig … sein.

Der Begriff der damit hier zugrunde zu legenden beitragsfähigen Erschließungsanlage ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich der Senat für das landesrechtliche Erschließungsbeitragsrecht ausdrücklich angeschlossen hat (…) nicht ein Begriff des Erschließungs- oder Planungsrechts, sondern ein solcher des Erschließungsbeitragsrechts. Dieser Begriff stellt auf eine „natürliche Betrachtungsweise“ ab; maßgebend ist das durch die tatsächlichen Gegebenheiten nach Beendigung der Ausbauarbeiten geprägte Erscheinungsbild, nicht dagegen eine nur „auf dem Papier stehende“ planerische Festsetzung. Bei der Vorausleistung von Erschließungsbeiträgen wird in der Regel vor Abschluss der technischen Herstellungsarbeiten die prognostische, unter Beachtung der maßgeblichen Kriterien für die sog. natürliche Betrachtungsweise getroffene Einschätzung der Gemeinde zum Umfang der Erschließungsanlage zu Grunde zu legen sein (…). Diese der Gemeinde obliegende Einschätzung ist im vorliegenden Fall jedoch widersprüchlich.

In ihrem Widerspruchsbescheid … - also dem hier maßgeblichen Zeitpunkt für die Überprüfung der Prognoseentscheidung - vertritt die Beklagte die Auffassung, dass die …-straße auf Grundlage des Ortsbauplans … ausgebaut werden solle. Dieser sieht eine durchgehende Anbaustraße von der Einmündung in die xxx-straße weit über die yyy-straße hinaus bis zum Ende des Ortsbauplans vor. Ausgehend davon wäre die …-straße mindestens im nun zum Ausbau vorgesehenen Teil - eher noch darüber hinaus - nach natürlicher Betrachtungsweise als eine Anbaustraße anzusehen. Auch der dem Ausbau zugrunde liegende Baubeschluss … mit dem dazu gehörenden Bauprogramm … geht von einem dem Ortsbauplan entsprechenden (lediglich) reduzierten Ausbau der Erschließungsanlage „…“, also hinsichtlich der flächenmäßigen Ausdehnung von einer einheitlichen Gesamtanlage aus. … Im Widerspruch dazu steht allerdings die zeichnerische Darstellung des Bauprogramms, die für die Erschließungsanlage „…“ eine Grünfläche auf Höhe der Flurstücke … mit einer flächenmäßigen Ausdehnung von ca. 10 m Länge auf dem Straßengrundstück zwischen der yyy-straße und der …-straße vorsieht. Bei einem so (wohl inzwischen technisch) hergestellten Ausbau hat dies ausgehend von der natürlichen Betrachtungsweise zur Folge, dass die planerisch als einheitliche Gesamtanlage konzipierte …-straße in zwei Erschließungsanlagen aufgeteilt wird, welche … getrennt behandelt und abgerechnet werden müssen. Damit beruhte die im Rahmen der Erhebung der Vorausleistung zu treffende Prognoseentscheidung zur Absehbarkeit der technischen Herstellung auf einer unklaren, da widersprüchlichen Tatsachengrundlage hinsichtlich des räumlichen Umfangs der erstmalig endgültig herzustellenden Erschließungsanlage. … Angesichts der damit sowohl hinsichtlich der Prognoseentscheidung als auch hinsichtlich des angefochtenen Bescheids bestehenden Widersprüchlichkeit in Bezug auf die zur Vorausleistung veranlagte Erschließungsanlage war der angefochtene Vorausleistungsbescheid im maßgeblichen Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung rechtswidrig.“

 

Unsere Hinweise:

Die Daten der vorgestellten obergerichtlichen Entscheidung finden Sie in unseren Tipps für die Praxis. In Ihrem Matloch/Wiens finden Sie die Erläuterungen mit der einschlägigen Rechtsprechung zu den erörterten Rechtsfragen:

-          Grundsätze zur Rechtmäßigkeit der Herstellung bei Rdnrn. 60 ff.

-          Zur Vorausleistungserhebung bei Rdnrn. 1410 ff.


Unsere Tipps für die Praxis:

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