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06.09.2016

Abschaffung der Straßenausbaubeiträge in Bayern - Teil 1

Eine umfassende Darstellung der Neuerungen

Vorbemerkung

Dieser Beitrag setzt sich umfassend mit den Konsequenzen der Abschaffung der Straßenausbaubeiträge in Bayern für Gemeinden und Bürger in zwei Teilen auseinander. Teil 1 befasst sich mit Beitragserhebungen vor dem 1. Januar 2018 und den ab dem 1. Januar 2018 einschließlich der Vorausleistungen und die sich daraus ergebenden Folgerungen für Bürger und Gemeinden.

Im Teil 2 werden die Erstattungsansprüche der Gemeinden gegenüber dem Freistaat Bayern besprochen.

 

Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 26. Juni 2018

Mit dem Gesetz zur Änderung des KAG vom 26. Juni 2018 (Landtagsdrucksache 17/21586)  wurden die Straßenausbaubeiträge in Bayern mit Wirkung vom 1. Januar 2018 abgeschafft. Art. 5 Abs.1 Satz 3 KAG wurde wie folgt gefasst: „Für die Verbesserung oder Erneuerung von Ortsstraßen, beschränkt öffentlichen Wegen, in der Baulast der Gemeinden stehenden Teilen von Ortsdurchfahrten und der Straßenbeleuchtung (Straßenausbaubeitragsmaßnahmen) werden keine Beiträge erhoben; Art. 5a bleibt unberührt.“ Zugleich wurde Art. 5b KAG, der die wiederkehrenden Beiträge für Verkehrsanlagen seit 1. April 2016 vorsieht, aufgehoben. Weiterhin wurden Vorschriften des KAG, die im Zusammenhang mit der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen stehen und nur für das Straßenausbaubeitragsrecht Bedeutung haben, aufgehoben. Dies betrifft Art. 5 Abs. 3 Sätze 3 bis 5 KAG, die besondere Vorschriften für  Straßenausbaubeitragssatzungen enthalten, Art. 5 Abs. 10 KAG, der die Verrentung der Beiträge regelt, und Art. 13 Abs. 7 KAG mit dem Beiträge im Einzelfall erlassen werden können, soweit diese das 0,4-fache des Verkehrswerts des beitragspflichtigen Grundstücks überschreiten.

Die Änderungsvorschriften treten rückwirkend zum 1. Januar 2018 in Kraft treten. Bedenken gegen ein rückwirkendes Inkrafttreten bestehen nicht. Aus Sicht der Beitragspflichtigen ist die Rückwirkung rechtsstaatlich unbedenklich. Für die Beitragspflichtigen tritt eine rückwirkende Begünstigung ein, da sie, falls sie nach dem 1.Januar 2018 zu Beiträgen oder Vorauszahlungen herangezogen wurden, diese wieder erstattet bekommen (Art. 19 Abs. 7 Sätze 3 und 5 KAG).

Dem schutzwürdigen Vertrauen der Gemeinden in den Fortbestand der Regelungen zum Straßenausbaubeitragsrecht für seit dem 1. Januar 2018 abgewickelte, begonnene oder konkret geplante Straßenbaumaßnahmen wird durch die Regelung von Erstattungsansprüchen in Art. 19 Abs. 9 KAG Rechnung getragen. Zum einen erstattet der Freistaat Bayern diejenigen Beträge, die die Gemeinden nach Art. 19 Abs.7 KAG an die Beitragspflichtigen zurückzahlen müssen. Zum anderen erhalten die Gemeinden gemäß Art. 19. Abs. 9 KAG einen finanziellen Ausgleich dafür, dass sie ab dem 1. Januar 2018 keine Straßenausbaubeiträge mehr erheben dürfen.

Damit entfällt ab 1. Januar 2018 die Rechtsgrundlage zum Erlass von Bescheiden nach Straßenausbaubeitragsrecht. Die Neuregelung des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG verbietet die Erhebung und Festsetzung von Straßenausbaubeiträgen und bezieht sich auf alle Stufen des Beitragsverfahrens. Außerdem können die Gemeinden für die Zukunft keine Straßenausbaubeitragssatzungen mehr erlassen. Bereits bestehende Satzungen werden teilunwirksam, soweit sie sich Geltung über den 1. Januar 2018 hinaus beimessen. Zur Klarstellung können sie mit Wirkung ab 1. Januar 2018 aufgehoben werden. Eine vollständige Aufhebung ist nicht ratsam, solange Rechtsmittelverfahren gegen Straßenausbaubeitragsbescheide laufen. Hingegen ist eine Aufhebung nach dem 11. April 2018 erstattungsrechtlich unbeachtlich und unschädlich.

 

Beitragserhebung vor dem 1. Januar 2018

Für die Erhebung von Beiträgen nach Straßenausbaubeitragsrecht sowie die Erhebung von wiederkehrenden Beiträgen für Verkehrsanlagen gilt das KAG in der bis 31. Dezember 2017 geltenden Fassung, sofern die Beiträge jeweils spätestens am 31. Dezember 2017 durch Bescheid festgesetzt worden sind (Art. 19 Abs. 7 Satz 1 KAG). Die Festsetzung setzt die Bekanntgabe des Beitragsbescheids voraus (Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe b KAG i.V.m. § 122 AO) d.h. der Beitragsbescheid muss dem Bescheidsadressaten bis spätestens 31. Dezember 2017 zugegangen sein. Bei förmlicher Zustellung lässt sich der Zeitpunkt der Bekanntgabe aus der Zustellungsurkunde ersehen. Bei Zustellung mittels Post gilt der Bescheid am dritten Tag nach Aufgabe zur Post als zugegangen, es sei denn er ist nicht oder verspätet zugegangen. Die Beweislast für den Zugang und den Zeitpunkt des Zugangs trägt die Gemeinde (Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. aa KAG i.V.m. § 122 Abs. 2 AO; vgl. Matloch/Wiens Rdnr. 1201 ff.). Unerheblich ist der Zeitpunkt der Fälligkeit des Beitrags, der auch noch im Januar 2018 liegen kann. Für diese Bescheide gilt die Rechtlage im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht. Sie bleiben grundsätzlich bestehen, es sei denn sie werden in einem nachfolgenden Rechtsmittelverfahren geändert bzw. aufgehoben. Wird ein Beitragsbescheid aufgrund eines Rechtsfehlers aufgehoben, kann eine erneute Beitragsfestsetzung nach dem 31. Dezember 2017 nicht mehr erfolgen. Dies gilt auch für Nacherhebungen von ursprünglich zu gering festgesetzten Beiträgen. Eine Heilung des Bescheids im laufenden Rechtsmittelverfahren ist jedoch noch möglich z.B. Nachholung der Widmung, Ersetzung fehlerhafter Satzung. Nur wenn eine Heilung nicht mehr möglich ist, weil der Rechtsfehler nicht mehr rechtzeitig behoben werden kann, findet eine Erstattung der dann zurückzahlenden Beträge nach Art. 19 Abs. 9 Satz 1 KAG statt. Sofern hierbei der Gemeinde ein Verschulden trifft (z.B. Versäumnis der Nachholung der Widmung) kann die Erstattung entfallen, wenn Ursache für den Verlust der Beiträge die fehlende Widmung und nicht die Neuregelung des Gesetzes war. Das ist dann der Fall, wenn ein Neuerlass eines Beitragsbescheids an der Festsetzungsverjährung des Art. 13 Abs. 1. Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb KAG (20 Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem die Vorteilslage eintrat) scheitern würde.

Vor dem 1. Januar 2018 geschlossene Ablöseverträge gemäß Art. 5 Abs. 9 KAG bleiben erhalten und bilden weiterhin die Rechtsgrundlage für die Zahlung. Ein Rückzahlungsanspruch für den Grundstückseigentümer ergibt sich nur bei Wegfall der Geschäftsgrundlage aufgrund ablösetypischer Risiken (vgl. Matloch/Wiens Rdnr. 2182, 1500ff). 

 

Beitragserhebung ab dem 1. Januar 2018

Beitragserhebungen sind nach dem 1. Januar 2018 nicht mehr möglich. Nach den allgemeinen Grundsätzen des Beitragsrechts (vgl. Matloch/Wiens Rdnr. 2168) würde die Neuregelung nur für die Fälle gelten, in denen die sachlichen Beitragspflichten zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes noch nicht entstanden waren. Art. 19 Abs. 7 Satz 1 KAG stellt jedoch klar, dass keine Beitragsbescheide mehr erlassen werden dürfen, auch wenn die Beitragspflicht vor dem 31. Dezember 2017 entstanden ist.

Bescheide, die nach dem 1. Januar 2018 erlassen wurden, sind aufzuheben und die vereinnahmten Beträge zu erstatten. Mit Inkrafttreten des Gesetzes entfällt rückwirkend die gesetzliche und satzungsrechtliche Grundlage für den Erlass von Beitragsbescheiden. Sie sind rückwirkend rechtswidrig geworden und unabhängig von der Bestandskraft aufzuheben. Die Aufhebung ist zwingend durch einen weiteren Bescheid vorzunehmen, der keine besondere Begründung erfordert. Die Erstattung erfolgt an den Adressaten des ursprünglichen Beitragsbescheids und zwar unabhängig davon, wer den Betrag tatsächlich bezahlt hat oder ob es hinsichtlich des beitragsfähigen Grundstücks zu einem Eigentümerwechsel gekommen ist. Eine Erstattung kann frühestens ab dem 1. Mai 2019 verlangt werden (Art 19 Abs. 7 Sätze 2 bis 4 KAG). Damit müssen die Gemeinden  die Rückzahlung nicht vor dem 1. Mai 2019 vornehmen. Zinsansprüche der Beitragspflichtigen bestehen nicht (Art. 13 Abs. 1 Nr. 5  Buchst. b Doppelbuchst. aa i.V.m. § 233 AO).

 

Vorauszahlungen

Bei Vorauszahlungen, die bis zum 31. Dezember 2017 erhoben wurden, ohne dass ein endgültiger Beitrag bis 31. Dezember 2017 festgesetzt wurde, hebt die Gemeinde diese auf Antrag ab dem 1. Januar 2025 auf und erstattet die Vorauszahlungen frühestens ab dem 1. Mai 2025 zurück. Maßgebend ist die Festsetzung der Vorauszahlung mittels Bescheid bis 31. Dezember 2017, nicht jedoch der Zeitpunkt der Fälligkeit bzw. mehrerer im Bescheid festgelegter Fälligkeiten. Diese können auch noch im Jahre 2018 liegen.

Dies gilt nicht, wenn bis 31. Dezember 2024 die Vorteilslage entstanden ist und die Gemeinde die fiktive Abrechnung des endgültigen Beitrags vorgenommen hat. Die Vorteilslage ist entstanden, wenn die Anlage endgültig technisch fertiggestellt ist, der Grunderwerb muss jedoch nicht abgeschlossen sein. Ist der Grunderwerb abgeschlossen, ist er bei der fiktiven Abrechnung zu berücksichtigen. Ist er bis zum 31. Dezember 2024 nicht abgeschlossen, kann eine fiktive Abrechnung nur im Wege der Kostenspaltung ohne Grunderwerb erfolgen. Kann der Grunderwerb bis 30. April 2028 abgeschlossen werden, kann er noch im Erstattungsverfahren gemäß Art. 19 Abs. 9 KAG beim Freistaat Bayern geltend gemacht werden. Die Gemeinden können durch die endgültige technische Fertigstellung und fiktive Abrechnung eine Rückzahlung verhindern, was aus Sicht der Gemeinde sinnvoll ist. Für die fiktive Abrechnung sind die Verhältnisse maßgebend zu dem die Beitragspflicht nach dem KAG in der bis 31. Dezember 2017 geltenden Fassung und der gemeindlichen Straßenausbaubeitragssatzung entstanden wäre. Änderungen der Grundstücksverhältnisse (Änderung des Abrechnungsgebiets, geänderte Nutzbarkeit der Grundstücke) zwischen Vorauszahlung und der fiktiven Abrechnung sind im Rahmen der fiktiven Abrechnung zu berücksichtigen. Die Vorauszahlung ist mit der fiktiven Beitragsschuld zu verrechnen, auch wenn der Vorauszahlende nicht beitragspflichtig geworden wäre (Art. 5 Abs. 5  Satz 2 KAG). Ergibt die fiktive Abrechnung, dass die Vorauszahlung den endgültigen Beitrag übersteigt, ist der Unterschiedsbetrag auf Antrag zu erstatten (Art 19 Abs. 8 Satz 3 KAG), wobei der Antrag bis spätestens 31. Dezember 2025 zu stellen ist. Eine Verzinsungspflicht besteht nicht, da Art 5 Abs. 5 Satz 4 KAG keine Anwendung findet. Ansprüche auf Erstattung der Vorauszahlung aus anderen Gründen bleiben unberührt (Art. 19 Abs. 8 Satz 6 KAG). Dies betrifft  Ansprüche, die nicht infolge der Änderung des KAG sondern aus anderen Gründen entstanden waren, z.B. wenn die Gemeinde nach Erhebung der Vorauszahlung das Bauprogramm endgültig aufgegeben hat oder es so abgeändert hat, dass die Maßnahme nicht beitragsfähig ist, sodass die endgültige Beitragsplicht nicht entstehen kann. Hierfür gibt es keine Erstattungsansprüche nach Art. 19 Abs. 9 KAG, da Ursache nicht die Änderung des KAG war. Ergibt die fiktive Abrechnung, dass die Vorauszahlung niedriger als der endgültige Beitrag war, was den Regelfall darstellen wird, ist der Unterschiedsbetrag im Erstattungsverfahren nach Art 19 Abs. 9 KAG geltend zu machen.

Muss die Gemeinde mangels endgültiger technischer Herstellung bis 31. Dezember 2024 die Vorauszahlung zurückzahlen (Art. 19 Abs. 8 Satz 1 KAG), erfolgt keine Erstattung des durch die Rückzahlung erfolgten Ausfalls durch den Freistaat Bayern, da Ursache für den Ausfall nicht die Änderung des KAG war, denn die Gemeinde hatte es in der Hand die Rückzahlung zu vermeiden.

Vorauszahlungsbescheide, die ab dem 1. Januar 2018 erlassen wurden, sind nach Art. 19 Abs. 7 Satz 4 i.V.m. Satz 2 KAG aufzuheben und die vereinnahmten Vorauszahlungen sind an den Vorauszahlenden zu erstatten. Hier gelten dieselben Regeln wie bei einer Beitragserhebung ab dem 1. Januar 2018.

 

Die Erstattungsansprüche gegen den Freistaat Bayern werden in Teil 2 behandelt.