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12.05.2020

Erschlossensein eines gefangenen Hinterliegers

Erschlossen ist ein Grundstück, wenn ihm die Anlage in erschließungsbeitragsrechtlich relevanter Weise, d.h. in einer auf die bauliche, gewerbliche oder vergleichbare Nutzbarkeit der Grundstücke gerichteten Funktion, die Zugänglichkeit vermittelt. Wann das bei einem Hinterliegergrundstück der Fall ist, ist nicht immer einfach zu beurteilen.

 

 

Der Fall:

Der Kläger ist Eigentümer mehrerer gefangener Hinterliegergrundstücke. Das Anliegergrundstück steht ebenfalls in seinem Eigentum. Im vorliegenden Fall greift der Kläger den Bescheid vom 9. Mai 2016 mit dem Argument, dass seine Hinterliegergrundstücke als im Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht erschlossen anzusehen ist. Denn die sachliche Beitragspflicht entstand bereits 1989. Der Kläger begehrt die Aufhebung des Bescheids wegen Verjährung. Das OVG gab ihm recht.

 

Die obergerichterliche Entscheidung:

Definition des Erschlossenseins i.S.d. § 131 Abs. 1 BauGB

„Die Erschließungsbeitragspflicht kann nur für Grundstücke entstehen, die bezogen auf die Erschließungsanlage, derentwegen der Beitrag erhoben wird, zum Kreis der nach § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB erschlossenen Grundstücke gehören. Gemäß § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist der beitragsfähige Erschließungsaufwand für eine Erschließungsanlage auf die durch die Anlage erschlossenen Grundstücke zu verteilen. Im Sinne dieser Vorschrift ist ein Grundstück erschlossen, wenn ihm die Anlage in erschließungsbeitragsrechtlich relevanter Weise, d. h. in einer auf die bauliche, gewerbliche oder vergleichbare Nutzbarkeit der Grundstücke gerichteten Funktion, die Zugänglichkeit vermittelt. Die durch die Anlage und die damit bewirkte Erreichbarkeit ermöglichte bauliche oder gewerbliche Ausnutzbarkeit ist der Erschließungsvorteil, welcher die anteilige Auferlegung des hierfür notwendigen Aufwands rechtfertigt. Ein in einem Wohngebiet gelegenes Grundstück ist durch eine Anbaustraße regelmäßig erschlossen, wenn sie die Möglichkeit eröffnet, mit Personen- und Versorgungsfahrzeugen an die Grenze des Grundstücks heranzufahren und es von dort aus zu betreten. Erschlossen sind danach die unmittelbar an die Anbaustraße angrenzenden, selbständig bebaubaren oder gewerblich nutzbaren Grundstücke, die von der Anlage in der für die vorgenannte Nutzung erforderlichen Weise erreicht werden können.“

 

Erschlossensein eines Hinterliegergrundstücks

„Der Erschließungsvorteil ist jedoch nicht stets auf diese Anliegergrundstücke beschränkt, sondern kann sich ausnahmsweise als eine Art letzter Korrekturansatz zur Vermeidung unbilliger Ergebnisse auch auf Grundstücke erstrecken, die durch weitere Grundstücke von der Anlage getrennt sind (sog. Hinterliegergrundstücke). Dies ist zunächst der Fall, wenn das Hinterliegergrundstück durch eine dauerhafte, rechtlich gesicherte Zufahrt mit der Anlage verbunden ist. Doch auch ohne eine solche Zufahrt kann ein Erschlossensein des Hinterliegergrundstücks anzunehmen sein, wenn die Eigentümer der übrigen Grundstücke nach den bestehenden tatsächlichen Verhältnissen schutzwürdig erwarten können, dass auch ein Grundstück, dessen Erschlossensein nach der bebauungsrechtlichen Situation zu verneinen wäre, in den Kreis der erschlossenen Grundstücke einbezogen wird und sich so die Beitragslast der übrigen Grundstücke vermindert.

 

Bei gefangene Hinterliegergrundstücken genügt Eigentümeridentität

Bei sog. „gefangenen“ Hinterliegergrundstücken, die ausschließlich über das vorgelagerte Anliegergrundstück eine Verbindung zum Straßennetz haben, kann allein schon die Eigentümeridentität als solche eine schutzwürdige Erwartung der übrigen Grundstückseigentümer auf Einbeziehung in den Kreis der erschlossenen Grundstücke begründen.

[…]

So liegt der Fall hier: Bei den streitgegenständlichen Grundstücken handelt es sich sämtlich um gefangene Hinterliegergrundstücke, die (teilweise über weitere Hinterliegergrundstücke) an Anliegergrundstücke angrenzten, die im maßgeblichen Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht demselben Eigentümer gehörten. […]“

 

Zum Erschlossensen nach § 133 Abs. 1 BauGB, d.h. zur Beitragspflicht

„Was das Erschlossensein und damit die tatsächliche Bebaubarkeit nach bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen Gesichtspunkten im Sinne des § 133 Abs. 1 BauGB angeht, verlangt diese Vorschrift nicht, dass allen Erreichbarkeitsanforderungen namentlich des Bauordnungsrechts bereits bei Entstehung der Beitragspflicht vollauf genügt ist. Im Sinne des § 133 Abs. 1 BauGB bebaubar ist ein durch eine Anbaustraße gemäß § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB erschlossenes Hinterliegergrundstück dann, wenn es (nur noch) in der Hand des Eigentümers liegt, mit Blick auf diese Anlage die Erreichbarkeitsanforderungen zu erfüllen, von denen das (bundesrechtliche) Bebauungsrecht und das (landesrechtliche) Bauordnungsrecht die bauliche oder gewerbliche Nutzung des Grundstücks abhängig machen. In Fällen der Eigentümer-identität, in denen Anlieger- und Hinterliegergrundstück im Eigentum derselben Person (oder derselben Personenmehrheit) stehen, hat es der Eigentümer regelmäßig in der Hand, solche Hindernisse zu beseitigen. Ob er von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, ist unerheblich.

[…]

Gemessen daran waren die streitgegenständlichen Grundstücke im Zeitpunkt der endgültigen Herstellung der Anlage auch erschlossen im Sinne von § 133 Abs. 1 BauGB. Es ist nicht ersichtlich oder dargelegt, dass der Bebaubarkeit vorliegend rechtliche oder tatsächliche Hindernisse entgegenstanden, die nicht von dem vormaligen Eigentümer hätten ausgeräumt werden können. Es bedurfte dazu lediglich der Anlage des bauplanungsrechtlich […] vorgesehenen Privatweges sowie der Eintragung von Wege- und Leitungsrechten zugunsten der Hinterliegergrundstücke.“

 

Unsere Hinweise:

Die Daten der vorgestellten höchstrichterlichen Entscheidung finden Sie in unseren Tipps für die Praxis. In Ihrem Matloch/Wiens finden Sie die Erläuterungen zum Erschlossensein von Hinterliegergrundstücken in den Rdnrn. 853 ff.


Unsere Tipps für die Praxis:

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